Simone Stolz hat mit ihrem VW ID.3 eine wahre Odyssee hinter sich. Sie berichtet von Machtlosigkeit über ihren eigenen Wagen.
Und diese Machtlosigkeit endete in einem schweren Unfall. Die Frage, die im Raum steht: Wer hat Schuld? VW oder Simone? Der Konzern weist jede Schuld von sich.
VW: ID.3 beschleunigt einfach
„Ich habe noch versucht zu bremsen, aber ich war machtlos“, erzählt die 41 Jahre alte Simone Stolz dem „Spiegel“. Was ist passiert? Simone ist mit ihrem VW ID.3 von der Autobahn abgefahren. Mit der sogenannten Kriechfunktion fuhr sie dann langsam an die erste Kreuzung heran. Die Funktion hat den Nutzen, dass der Wagen selbstständig mit etwa fünf km/h rollt.
Dann wollte die 41-Jährige aus Mittelhessen bremsen und den Wagen zum Stehen bringen. Doch der ID.3 rammte das Auto vor ihr, beschleunigte dann sogar noch einmal und schob den angefahrenen Wagen gegen zwei weitere Autos. Verletzt hat sich dabei niemand. Trotzdem ein Schock für Simone. Denn sie ist sich sicher: Gas und Bremse habe sich nicht verwechselt.
„Wo war eigentlich der Notbremsassistent?“
Simone Stolz kennt sich mit der Materie aus. Sie selbst ist Softwareexpertin und hat jahrelang im Automotive-Bereich für Infotainmentsysteme gearbeitet. „Wo war eigentlich der Notbremsassistent?“, fragt sie sich. Volkswagen meldete sie den Vorfall, schilderte ihre Darstellung. Doch der Autobauer gehe wohl von menschlichem Versagen aus. Grund dafür sei der Unfalldatenspeicher, der sagen soll, dass die 41-Jährige das Strompedal kurz vor dem Unfall voll durchgedruckt habe.
Simone wehrt sich dagegen, versucht Volkswagen davon zu überzeugen, dass sie die Bremse und nicht das Strompedal gedrückt habe. VW hätte sie auch ihren ID.3 für weitere Untersuchungen bereit gestellt. Doch nichts habe genützt. Ihr Version zähle nicht.
Simone Stolz ist nicht die einzige Betroffene
Dabei ist die 41-Jährige nicht die Erste, die von solchen Problemen berichtet. Volkswagen gab selbst gegenüber dem Magazin an, dass bereits „wenige Einzelfälle“ des selbstständigen Beschleunigens gemeldet wurden. VW habe die Fälle geprüft. Doch keine Prüfung habe bestätigt, dass es am Fahrzeug lag.
Ein Kfz-Sachverständiger, der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden wollte, gab gegenüber dem „Spiegel“ an, dass er solche Phänomene kennt. Dabei habe er auch Modelle von VW unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Manche Autos reagierten tatsächlich anders als geplant.
Auto-Experte: „Ich würde die Probleme ernst nehmen“
„Ich würde die geschilderten Probleme ernst nehmen“, so der Experte. Denn seine Vermutung ist, dass ein Software-Problem hinter dem selbstständigen Beschleunigen steckt. Durch Temperaturschwankungen könne es im Master-Steuergerät, das auch für die Kriechfunktion zuständig ist, zu elektronischen Aussetzern kommen.
Dagegen hält der Berliner Kfz-Mechanikermeister Frank Szillat. Er hält menschliches Versagen für wahrscheinlich. Er selbst fährt zwei Cupra Born als Firmenautos. Zum ID.3 gibt es keine großartigen Unterschiede. Er sagt: „Die Autos bremsen eigentlich vorher von allein ab, wenn ein Hindernis kommt.“
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Doch was hat Simone Stolz eigentlich für Möglichkeiten, wie sieht die Rechtslage aus, wenn der Auto-Computer versagt und es zu einem Unfall kommt? Grundsätzlich haftet der Fahrer. Für den Unfall-Experten Siegfried Brockmann ist das ein Unding. Er fordert, dass sich Hersteller auf zwei Möglichkeiten einigen. Entweder bieten sie nur Assistenz an oder stufen die Automatisierung ab – der Fahrer müsse dann nicht mehr eingreifen. „Es kann nicht sein, dass die Leute als Testfahrer der Autoindustrie herhalten müssen“, so Brockmann.
Für Simone ist der Unfall mit ihrem ID.3 noch lange nicht vom Tisch. Sie kämpft weiter für ihr Recht. Sie will, dass der Crash als technisches Versagen anerkannt wird. Mittlerweile steht die 41-Jährige mit rund 20 Betroffenen in ganz Deutschland in Kontakt. Sie alle hatten mysteriöse Unfälle mit ihrem E-Auto.